Sprechstunde Episode 1
Faktencheck Vergabeverfahren Markus Riester (Projektleiter Neubau) im Interview

Warum wird das Vergabeverfahren benötigt?
Das Vergabeverfahren ist dazu da, alle ausführende Firmen, die unseren Neubau errichten, auszuwählen. Dazu gehören Planer, Schreiner, Maurer eben alles, was auf einem Bau dieser Größe benötigt wird. Da unser Projekt vom Land gefördert wird, sind wir dazu verpflichtet, unsere Aufträge öffentlich auszuschreiben und uns an die Vergaberichtlinien zu halten. Ein Vorteil dieses Verfahrens ist, dass wir durch den Prozess des Ausschreibens detailliert festlegen können, was eine potenzielle Firma leisten muss. Durch den Eingang mehrere Bewerbungen ist ein direkter Vergleich der Angebote möglich. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass unser Projekt so groß ist, dass fast alle Ausschreibungen europaweit stattfinden werden.
Stellen wir uns vor, wir benötigen z.B. Fenster für den Neubau.
Was passiert dann?
Der Planer wird dann eine passende Ausschreibung für Fenster erstellen. Er listet in einem Leistungsverzeichnis auf, welche Fenstertypen, -größen etc. benötigt werden. Dies passiert mit sogenannten Einzelgewerken. Das heißt, jeder Schritt in den verschiedenen Bauphasen wird einzeln ausgeschrieben und vergeben. Das ermöglicht uns, unsere Ausschreibungen an den dynamischen Baustellenprozess anzupassen. Außerdem geben wir somit lokalen Anbietern die Chance, sich am Klinikum zu beteiligen.
Exkurs Einzelgewerke:
Einzelgewerke sind eine Art der Ausschreibung. In der Theorie könnten wir das Bauprojekt als Ganzes ausschreiben, jedoch macht dies ab einer gewissen Größe eines Projekts keinen Sinn. Zum einen ist es fast unmöglich, ein Unternehmen zu finden, welches in der Lage ist, ein so komplexes Projekt umzusetzen und wirtschaftlich würde das Projekt viel zu teuer werden. Mit den von uns gewählten Einzelausschreibungen bleiben wir flexibel und fördern die lokale Wirtschaft. Denn umso kleiner das Auftragsvolumen ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass lokale Anbieter die Möglichkeit haben, sich auf den Auftrag zu bewerben.
Jedes Verfahren hat auch seine Nachteile.
Worin sehen Sie Nachteile?
Durch das europaweite Verfahren mit sehr vielen Teilnehmern muss ganz genau darauf geachtet werden, dass alle Verfahrensabläufe und Richtlinien exakt eingehalten werden. Wir halten uns konsequent an alle Vorgaben, was mit sich bringt, dass manche Prozesse etwas länger dauern, als man es sich erhofft. Wenn wir heute drei Planer anrufen würden und diese um ein Angebot bittet, hätten wir in den nächsten vier Wochen eine Entscheidung. Durch das Ausschreibungsverfahren haben wir nun mehr als sieben Monate gebraucht. Nichtsdestotrotz ist es bei einem Projekt auf jeden Fall gerechtfertigt, dass man diesen Aufwand betreibt.
Die aktuelle Situation in der Bau-Branche ist eher angespannt.
Wie schätzen Sie die Situation ein? Wird sich überhaupt jemand auf unsere Ausschreibungen bewerben?
Dass sich niemand auf die Verfahren bewerben wird, wird sicher nicht vorkommen. Es gibt Firmen, die sich auf öffentliche Aufträge mit Ausschreibungen in Einzelgewerken spezialisiert haben. Die Frage ist eher, welche Preise dabei rauskommen. Aktuell basiert unsere grobe Definition des Kostenrahmens auf Ansatzwerte von Quadratmeterpreisen bezogen auf die Nutzflächen, hierbei wurden die Flächen aus dem Raum- und Funktionsprogramm und Erfahrungswerten aus bisherigen Klinikneubau-Maßnahmen zugrunde gelegt. Zurzeit liegt die Baupreissteigerung aufgrund der Energiekrise und der großen Nachfrage bei ca. 15 %-20 %. Das hatten wir natürlich nicht einkalkuliert, wir haben mit üblichen Preissteigerung von 2-3 % gerechnet. Das könnte zu einem Kostenproblem führen. Ich bin allerdings der Meinung, dass die Auswirkungen gar nicht so groß sein werden, wie man im ersten Moment befürchtet. Aktuell haben wir zum Beispiel die beteiligten Planer (Architekt, Tragwerksplaner, Fachplaner für Technik etc.) ausgeschrieben. Hierbei hat sich gezeigt, dass unsere Auftragsvergaben im geplanten Budget erfolgen können. Bis die großen Vergabeverfahren der Bauleistung ausgeschrieben werden (Ende 2024/ 2025) wird sich die Situation erneut geändert haben. Die Chance, dass sich bis dahin die Preissteigerungen wieder normalisieren, ist auf jeden Fall gegeben. Natürlich weiß keiner, was bis dahin passiert, wir müssen flexibel bleiben und das „Heft in der Hand behalten“, positiv das Projekt angehen und bei Bedarf gegensteuern.